Ich wuchs in der Wetterau auf, gerade weit genug von Frankfurt entfernt, dass ich nicht ohne Weiteres in die Innenstadt fahren konnte. Zumindest nicht in den Neunzigern und schon gar nicht ohne eigenes Fortbewegungsmittel.

Doch das änderte sich mit dem Führerschein und dem ersten eigenen Auto, einem Opel Kadett Kombi. Parallel zur Ausbildung als Fotograf begann ich die Clubs von Frankfurt zu besuchen. Ob das Exzess, das Omen, die Batschkapp, oder andere Clubs in Darmstadt, Wiesbaden und bald darauf in der ganzen Republik. Die Tage der Langeweile waren nun gezählt und durch die Fotografie fing ich an, die Konzerte die ich besuchte, zu dokumentieren. Natürlich hatte ich keinen Presseausweis und so schmuggelte ich meine Kamera immer wieder in die Clubs um fotografieren zu können.

 Ich hatte die Fotografie schon zu Schulzeiten in einer Foto AG kennen gelernt und war nun willens alles zu fotografieren was mich interessierte.

Das erste Fotobuch, das ich mir damals gekauft habe war – wie könnte es anders sein – ein Buch des Musikfotografen Steve Gullick. Ich war für ein Konzert nach Köln gefahren und fand das Buch dort in einem kleinen Laden. Auf einmal eröffnete sich mir eine komplett neue Welt. Es gab nicht mehr nur die Portraits und Passbilder des Fotostudios in dem ich arbeitete, sondern die Fotografie in den Magazinen und in der Werbung und die Welt wurde ein wenig interessanter.

 Nach der Ausbildung absolvierte ich ein Designstudium an der Hochschule in Darmstadt. Im Hauptstudium zeigte uns unser Professor Kris Scholz immer wieder Bücher von Fotografen zu einem bestimmten Thema. Und die Welt wurde noch ein wenig grösser. Jetzt gab es nicht nur Magazine oder Werbung, sondern richtige Künstler, die das fotografierten was sie sich vorstellten, so ganz ohne Kunden oder Bildredaktion.

 Seit meinem Abschluss arbeite ich als People und Portrait Fotograf für Bildredaktionen und Werbeagenturen, aber auch meine eigenen Ideen entwickle ich nach wie vor und freue mich immer wieder wenn ich eine freie Arbeit realisieren kann. Ein guter Freund von mir, Jens Koch, ist leidenschaftlicher Rammstein-Fan und wurde 2019 eingeladen, die Tour von Rammstein fotografisch festzuhalten. Als er mir dieses Erlebnis geschildert hat, wusste ich, das ist ein Projekt, das ich auch gerne noch verwirklichen möchte: ein Buch zu veröffentlichen, nachdem ich mit einer Band auf Tour war.

Steve Gullick – pop book number one

Ich fand das Buch auf dem Wühltisch einer Buchhandlung in der Ehrenstrasse in Köln. Mir gefiel das Cover, so bunt und voll mit Fehlfarben. Als ich das Ansichtsexemplar öffnete war ich zunächst enttäuscht, die Fotografien in dem Buch sind ausschliesslich Schwarz Weiss, aber als ich sah, welche Musiker Steve bereits porträtiert hatte, musste ich es kaufen. Ob Nirvana, Pearl Jam, Bjork oder ein grandioses Portrait von Jello Biafra. Mein halbes Plattenregal hatte er schon fotografiert. Bis heute liebe ich dieses Buch und schaue es mir immer wieder gerne an.

Philip-Lorca diCorcia –
The Museum of Modern Art, New York

Ein Buch das ich schon länger gesucht hatte, nachdem mein Professor es mir einmal im Unterricht gezeigt hatte. Ich fand es schliesslich in einer Buchhandlung in Hamburg neben den Deichtorhallen. Und wie könnte es anders sein, kurz bevor ich auf ein Konzert in der Markthalle ging. Philip-Lorca diCorcia war der erste Fotograf neben Gregory Crewdson, der es fertig brachte, aus alltäglichen Situationen Kunstwerke zu schaffen. Das erste Bild in dem Buch ist ein Mann, der vor einem geöffneten Kühlschrank steht und ratlos hineinschaut. Ich weiss bis heute nicht zu wie vielen Teilen dieses Bild inszeniert ist, aber es beeindruckt mich jedes Mal wenn ich es sehe aufs neue. Aber auch seine Portraits, die er auf den Strassen geschossen hat, ob nun zufällig oder inszeniert, sind für mich jedes mal wie Szenen aus einem nicht vorhandenen Film, bei denen ich stets anfange zu überlegen, was vor und nach diesem Moment passierte.

Jens Koch – Rammstein Europe Stadium Tour 2019

 Nicht weil Jens ein Freund von mir ist, sondern weil er es schafft in diesen Fotografien eine Band zu zeigen, die eine ebenso große Leidenschaft für ihre Musik hat, wie Jens für seine Fotografie. Er schafft es neben dem dokumentarischen Blickwinkel auch die Persönlichkeit der einzelnen Mitglieder zu zeigen. Allein das Titelbild ist so stark, dass ich gewillt bin zu sagen, besser kann man die Band nicht zeigen. Und das, obwohl kein einziges Gesicht zu erkennen ist. Und dann gibt es ein Motiv, bei dem ich immer wieder Tränen in die Augen bekomme. Einer der Musiker wird in einem Schlauchboot über die Menge getragen und schwenkt dabei die Regenbogenflagge. Auf einem Konzert in Polen. Was für eine großartige Geste und von Jens so perfekt eingefangen.